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Tage gemacht wurden; die eine ist die de Smit-Stiftung zur Unter-
stützung armer und hilfsbedürftiger Zeugmachermeister und Meisters-
witwen, die andere ist die Gewerbeschule und in Verbindung mit ihr
die sonntägliche Zeichen- und Webschule. Nach Heyden.
97. Den Grosse Kurfürst zur See.
1. Das stolze Spanien schuldet dem Fürsten Kriegessold:
„Doch warum denn ihm zahlen so viel, so gutes Gold?
Weit ist der Weg nach Spanien vom fernen Brandenburg,
Mit Reiterstief ein schreitet er nicht das Meer hindurch.“
2. Der aber lässet fällen die Tann am Pregelflufs,
Und Erze lässt er schmelzen im feuerglühnden Guss;
Und eh das Jahr vollendet, in langen Wimpeln wehn
Die Hohenzollernfarben, und Segel hoch sich blähn,
3. Und wandeln donnertragend das blaue Meer entlang
Die mächtigen Fregatten, in majestätschem Gang
Den Sund durch, ohne Fragen, hinaus ins Nordermeer,
Zum Ozean, sie wandeln gebieterisch daher.
4. Sie waren erst gekommen bis an das Niederland,
Da haben sie von Spanien ein Orlogsehiff erkannt,
Ein riesig hochgetürmtes: sie gingens kühn lieh an —
Bis dass auf schwanken Wogen der Preussenmut gewann.
5' Sie haben es genommen; Hispaniens Flagge fällt,
Und Preussens Aar erhoben weht stolzer durch die Welt;
Heil, Preussen, deinem Siege, dem ersten auf der Flut,
Ein guter Anfang, mache nun auch das Ende gut!
6. Mit Schrecken drang die Kunde der unerhörten That
Nach Spaniens stolzer Hauptstadt, da hielt man langen Rat,
Nicht minder der Franzose, der Engeländer auch,
Mit Staunen wohl vernahm er des Brandenburgers Brauch. 7
7. 0 Kurfürst Friedrich Wilhelm, zu Land und Meer ein Held,
Du hast den Weg gewiesen und uns das Ziel gestellt!
Die Berge haben Tannen, wir haben hohen Mut:
Auch uns gehört die grosse, wogende Meeresüut.
Gruppe (gekürzt).
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Extrahierte Personennamen: Hispaniens Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm
308
Viktoria hat heute Dienst am Thor:
„Garde, zeig deine Karte vor;
Preußische Garde, willkommen am Ort,
Aber erst das Losungswort." —
25 „Wir bringen gute Losung heim
Und als Parole 'nen neuen Reim,
Einen neuen preußischen Reim auf Ruhm." —
„Nenn ihn, Garde!" —
„Die Höhe von Chlum." —
30 „Ein guter Reim, ich salutier,
Preußische Garde, passier, passier."
Glockenläuten, Fahnenwehn,
Die Sieger drinnen am Thore stehn:
Eine Siegesgasse ist aufgemacht:
35 Österreichsche Kanonen, zweihundert und acht,
Und durch die Gasse die Sieger ziehn —
Das war der Einzug in Berlin. Fontane.
133. Bon Ems nach Berlin.
Tiefer Friede ruhte über der Welt. Auch der lang hinausgesponnene
Kampf des Winters mit dem Sommer war beendet, und der warme
Sonnenschein war zur Herrschaft gekommen. Die Eisenbahnzüge füllten
sich täglich mehr mit fröhlich den Städten entfliehenden Reisenden;
Kranke und Angegriffene eilten hoffnungsvoll in die Bäder, in die
Berge, an die See. Auch das alte Bad Ems hatte sich neu belebt
durch zahlreichen Zuzug aus allen Teilen der Erde. In dem waldigen,
bergumschlossenen Thale, wo die Lahn ihre klare Flut rheinabwärts
rollt, umschwirrten die verschiedensten Sprachen die warmsprudelnden
Heilquellen, und vornehme Herren und Damen ergingen sich in den
darangrenzenden Anlagen.
Seit einigen Wochen ragte eine hohe und mächtige Gestalt um
Haupteslänge hervor, ein Greis mit silberweißem Haar und Bart, aber
jugendfrisch noch in seinem Schritt und in seiner ganzen Erscheinung.
Meist in einfacher schwarzer Kleidung erscheinend, verriet doch seine
feste stramme Haltung auf den ersten Blick den Soldaten; ein schärferes
Auge entdeckte unter dem einfachen und leutseligen Wesen des alten
Herrn den hochgebornen Fürsten.
Es ist König Wilhelm von Preußen, der alljährlich nach dem an-
strengenden, arbeitsvollen Winter in Ems einige Wochen sich Erholung
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Bon_Ems Berlin Bad_Ems
282
4. Bei Dodendorf färbten die Männer gut
Das Magdeburger Land mit französifchem Blut,
Zweitausend zerhieben die Säbel blank,
Die übrigen machten die Beine lang.
5. Drauf stürmten sie Dömitz, das feste Haus,
Und jagten die Schelmenfranzofen heraus,
Dann zogen sie lustig ins Pommerland ein,
Da soll kein Franzose sein Kiwi! *) mehr schrein.
6. Auf Stralsund stürmte der reisige Zug.
O Franzosen, verständet ihr Vogelflug!
O wüchsen euch Federn und Flügel geschwind!
Es nahet der Schill, und er reitet wie Wind.
7. Er reitet wie Wetter hinein in die Stadt,
Die der Wallenstein weiland belagert hat,
Wo der zwölfte Karolus im Thore schlief.
Jetzt liegen ihre Mauern und Türme tief.
8. O weh euch, Franzosen! Jetzt seid ihr tot,
Ihr färbet die Säbel der Reiter rot,
Die Reiter, sie fühlen das deutsche Blut,
Franzosen zu säbeln, das deucht ihnen gut.
9. O Schill! o Schill! du tapferer Held!
Was sind dir für bübische Netze gestellt!
Viele ziehen zu Lande, es schleichet vom Meer
Der Däne, die tückische Schlange, daher.
10. O Schill! o Schill! du tapferer Held!
Was sprengst du nicht mit den Reitern ins Feld?
Was schließest in Mauern die Tapferkeit ein?
In Stralsund da sollst du begraben sein.
11. O Stralsund, du trauriges Stralesund!
In dir geht das tapferste Herz zu Grund,
Eine Kugel durchbohret das treueste Herz,
Und Buben sie treiben mit Helden Scherz.
12. Da schreiet ein frecher Franzosenmund:
„Man soll ihn begraben wie einen Hund,
Wie einen Schelm, der an Galgen und Rad
Schon fütterte Krähen und Raben satt."
‘) Qui vive — wer da!
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368
163. Der See Genezareth.
Der See Genezareth ist ein freundlicher Landsee, welcher auch das
Galiläische Meer oder der See von Tiberias genannt wird. Er ist
22 km lang und bis zu 11 km breit und bildet eine der anmutigsten
Gegenden des Heiligen Landes. Der runde Spiegel eines dunkelblauen
Gewässers blickt klar und glanzend zwischen den Bergen hervor; darum
nennt ihn der bildersinnige Morgenländer das Auge der Gegend. Im
Süden wie im Norden begrenzen ihn fruchtbare Ebenen; im Osten
und Westen dagegen umschließen ihn Hiigel und Berge von schönen
Formen. Aus ihren steilen, malerischen Schluchten treten rasche Bäche
hervor und ergießen sich in das Becken des „Meeres von Galiläa".
Zuweilen bringen jäh aus diesen Bergen hervorbrechende Zugwinde und
Windwirbel das friedliche Gewässer mit der Gewalt des schweizerischen
Föhns in wilden Aufruhr, der aber gewöhnlich sehr bald zur früheren
Stille sich besänftigt. Der Reichtum des Galiläischen Sees an treff-
lichen Fischen ist sehr groß, sein Wasser rein, kühl und süß, sein Grund
und Ufer sandig. Klima und Erdreich der umliegenden Landschaft
begünstigen die Pflege der trefflichsten Südfrüchte, der Datteln, Citronen,
Pomeranzen, der Trauben und Melonen, wie den Anbau des Getreides
und des Indigo; und bei größerer Betriebsamkeit der Menschen würde
der tiefe Bergkessel dieses Sees ein natürliches Treibhaus sein, in welchem
die edlen Gewächse Ägyptens und selbst Arabiens gedeihen könnten.
Dichter Baumwuchs und Buschwerk, mit Saatfeldern wechselnd, um-
kränzt das nordwestliche Ufer; „wie ein Morgenrot der Tiefe" ergießt
sich das rosenfarbige Blütenmeer der Oleanderbäume über Hügel und
Thal; aus den Gebüschen ertönt das Lied der Blaudrossel und der
Nachtigall und aus den Felsenhöhlen von Magdala die Stimme der
wilden Taube, die hier in Scharen von Hunderten umherfliegt und an
den stechapfelförmigen Früchten der Lotosbäume gute Kost hat.
In diesem gesegneten Seethale drängte sich sonst eine unermeßliche
Volksmenge im rührigsten Verkehre. Blühende Städte und gewerbreiche
Flecken samt ihren reizvollen Gärten, Feldern und Obsthainen, welche
zu jeder Zeit des Jahres reiche Früchte lieferten, umgürteten im lieb-
lichsten Wechsel den See. Gegen zwölfhundert Fischer fanden hier ihre
Nahrung; zahlreiche Fahrzeuge, Fischerkähne, lustfahrende Gondeln und
Lastschiffe durchkreuzten den Wasserspiegel nach allen Richtungen und
machten ihn zum gemeinsamen Tummelplätze aller umliegenden Städte
und Dörfer.
Jetzt trauert die reizvolle Landschaft wie eine Witwe. Von
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369
Kapernaum, „das bis an den Himmel erhoben war", von Chorazin
und Bethsaida ist keine Spur zu finden.
Die Wälder und Weingärten sind von den Hügeln verschwunden,
Palmen-, Feigen- und Olivenbäume stehen nur noch vereinzelt umher;
die Balsamstaude, welche vormals die feinsandigen, kiesreichen Ufer
des Sees umgrünte, findet sich nirgends mehr, und statt jener Hunderte
von Fahrzeugen zieht jetzt ein einziges Boot mit weißem Segel von
Zeit zu Zeit seine Furche durch den Spiegel des stillen Gewässers, um
von dem östlichen Gestade Holz nach Tiberias herüberzuholen.
Bäßler.
164. Kronprinz Friedrich Wilhelm in Jerusalem.
Als der Suezkanal nach zehnjähriger Arbeit vollendet war, sollte
er am 16. November 1869 in Gegenwart hoher Gäste feierlich eröffnet
werden. Der Vizekönig von Ägypten hatte sich entschlossen, die vor-
nehmsten und willkommensten Gäste selbst zum Feste einzuladen. So
überbrachte er auch dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm persönlich die
Einladung, Suez zu besuchen, nach Berlin. Und der Kronprinz nahm
sie um so lieber an, als ihm die Reise nach Ägypten die längst er-
wünschte Gelegenheit bot, auch Palästina zu besuchen und die geweihten
Stätten zu betreten, von welchen ans das Licht des Heils sich über
die Welt ergossen hat. Rechtzeitig verließ der Kronprinz Deutschland,
um noch vor Einweihung des Suezkanals mit Muße Palästina bereisen
zu können.
In Jaffa angelangt, wurde der hohe Reisende von einer Abteilung
Kavallerie nach Jerusalem geleitet. Eine nicht unfreundliche Straße
führt von dem alten Hafenplatz zur Heiligen Stadt. Der Weg ist besät
mit größeren und kleineren Ortschaften, deren manche geschichtliche Er-
innerungen aufzuweisen haben. In einem Thale unweit von Jerusalem
übernachtete der Kronprinz unter einem Zelte. Bei Morgengrauen
setzte er die Reise fort. Die Straße steigt hier bald zu einem Hügel
hinan, bald senkt sie sich wieder ins Thal. Abermals folgen Berg und
Thal, — in diesem soll David gegen Goliath gekämpft haben — bis
plötzlich eine mächtige Kirche mit fünf Kuppeln und dahinter der Öl-
berg sichtbar werden. Noch sieht man aber Jerusalem selbst nicht.
Man durchreitet eine bewohnte Gegend zwischen kleinen Häusern mit
den flachen orientalischen Dächern — bei ist man schon an der Ring-
mauer angelangt. Das Jaffathor ist offen; man steht ans heiligem
Boden.
Der Einzug des Kronprinzen ging freilich nicht so einfach von
B. V. R. 24
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm David David
Extrahierte Ortsnamen: Kapernaum Bethsaida Tiberias Jerusalem Suez Berlin Deutschland Palästina Jaffa Jerusalem Jerusalem Jerusalem
378
nur möglich benutzt. Auch hier hat der Besitzer alles mit der Hand
gehackt; Pflüge kennen sie kaum. Auch haben sie den Dünger nicht
gefahren, sondern in Körben mühsam aufs Land getragen, und ebenso
werden sie die mit der Sichel geernteten Garben auf dem Rücken in
die Scheune bringen. Bei solcher Arbeit ist jedes Ackerstück aber auch
ein Garten, in dem man Unkraut kaum findet.
8. Wir haben unsern Thee ausgetrunken und machen uns auf
den Weg. „Möge es immer so bleiben!" wünschen wir uns gegen-
seitig unter höflichsten Verbeugungen. Wir wandeln das Dorf weiter
entlang. In den offenen Häusern arbeiten die Handwerker mit
eifrigein Fleiße.
Durch den dämmernden Abend eilen wir dahin, das Boot soll
uns an Bord unseres Schiffes bringen. Da flammt es auf drüben
auf den Bergen in der Ferne. Im prächtigen Glanze leuchtet es
zuckend von den Höhen her, an den Abhängen züngelnd herablaufend,
zu den Spitzen eilig und funkensprühend emporklimmend: sie brennen
das dürre Gras der Halden ab, damit das neue Grün durch den dicken
Filz des welken vom vorigen Jahre hindurchspießen könne. Blutrot
spiegelt sich der feurige Schein im stillen Wasser der Bucht, durch das
die Ruder des Bootes uns drängen; schnell sinkt die Dunkelheit wieder
auf das schöne Land----------aber ich kenne doch noch eins, wo's besser
ist: in der lieben, einzigen Heimat!
Nord, Süd, Ost und West:
Daheim ist das best! Heims.
167. In der Wüste Sahara.
Die große Wüste Sahara ist über 600 Meilen lang und teils 100,
teils 200 Meilen breit, ein Sandgürtel, mit dem man zwei Dritteile von
Europa bedecken könnte. Der Sand ist wegen der fast senkrechten Sonnen-
strahlen glühend heiß, ohne Wasser, ohne Pflanzenwuchs, ohne Tierleben, eine
furchtbare Öde, in der man tagelang keinen Laut hört, keine Bewegung sieht.
Der Boden der Sahara zeigt sich bei näherer Betrachtung voller
Verschiedenheiten, und man würde irren, wenn man ihn als eine Fläche
von weißem oder gelbem Sande ansähe. Bedeutende Erhöhungen giebt es
vorzugsweise in dem kleinern östlichen Teile; im westlichen Teile sind es
unbemerkbare Hochflächen oder Sandhügel. Das Erdreich besteht bald aus
dünnem, unstätem Flugsande, bald ans weißen, scharfkantigen Kieseln, die
dem Auge und den Füßen Wehethun; bald ist es fester Thonboden, so
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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347
Der „Grüne" kam auf der Herberge gewöhnlich schlecht weg.
Wenn er den Deckel auf feinem Schoppenglafe nicht sogleich zumachte,
so wurde sofort ein Glas ums andere auf das feinige gestellt, und so
viel Gläser, so viel Schoppen mußte er bezahlen.
Ich kam in andere Not. Ich verstand die Leute nicht. Gleich
an einem der ersten Tage kam ein Bursche in meine Schmiede: „Gand
Morrn, du lütten Decken, slag min Perd twei nüe Achterisen op; il
dick en beten, ek heww ken Tid." Es war ein Milchfuhrmann (Melk-
buur) mit blauen Augen und Hellen Haaren, und doch sprach er nicht
deutsch? Gustav, wie wird dirs gehen? In gutem, reinem Schwäbisch
fragte ich ihn: „Was wöllat Sia?" Noch einmal dieselbe chinesische
Anrede. Zum Troste fand ich den Meister, und der übersetzte: „Guten
Morgen, du kleiner Dicker; schlag meinem Pferde zwei Hintereisen auf;
eil dich ein bißchen, ich hab keine Zeit."
Nun, alles lernt sich, auch Plattdeutsch. Bald hatte ich meine
Kameradschaft, und am Sonntage wurde mir die Zeit nicht lang. Am
meisten interessierte mich der Hafen. Wie oft sah ich zu, wenn ein
Auswandererschisf ging! Da waren auch manche Leutlein aus der
Umgebung von Böblingen, wie man das Württemberger Ländle be-
kanntlich auch heißt. Manchmal sah ich, daß ein Weiblein wieder gern
umgekehrt wäre, wie sie das viele Wasser sah. Aber die Schiffsleute
sind schlau, die Zugbrücke aufs Schiff hinüber war gerade so beschaffen
wie die Straße, und deswegen sah man nicht recht, wo das Schiff
anfing und das feste Land aufhörte. Ehe die Leute sichs versahen,
waren sie drüben auf dem Schiffe.
Das Elbwasfer hat mich gleich am ersten Sonntage für Narren
gehalten. Morgens acht Uhr gehe ich auf die Brücke und sehe das
Wasser schön den Berg hinunterlaufen dem Meere zu, wie's der Neckar
auch macht. Mittags komme ich wieder; jetzt läuft es den umgekehrten
Weg, vom Meere herauf! Entweder bin ich verrückt oder die Elbe —
anders konnte ich mir dieses Meerwunder nicht erklären, bis ein
Kamerad den Unterschied von Ebbe und Flut, von dem ich ja in
der Schule auch schon etwas gehört hatte, in meinem Kopfe wieder
auffrischte.
Meine Geschwister schrieben mir manchmal, ich sollte doch sobald
wie möglich ans Hamburg gehen, das sei die verdorbenste Stadt der
Welt. Ich konnte sie nicht begreifen. Es war doch alles so schön,
meine Kameraden anständig, wir alle so lustig! Allerdings in die
Kirche kam ich nicht mehr, und das Beten verlernte ich auch. Ich
wäre wohl ganz von meinem Gott weggekommen, wenn er mich nicht
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349
Nachher bin ich dann noch in andere Städte geraten, nach Leipzig
und nach Halberstadt und habe noch mancherlei gelernt, nicht bloß in
der Werkstatt, sondern unter guten und bösen Leuten, Schmieden und
Nicht-Schmieden.
Wie dann meine Geschwister mich heimwärts riefen, packte ich
mein Bündel mit Freuden. Ich war nicht umsonst in der Fremde ge-
wesen. Ein paar hundert Mark hatte ich mir erspart, hatte die Welt,
wo sie schön ist und wo sie bös ist, gesehen, und, was das beste, ich
hatte meinen Gott gefunden. Das ist mir die liebste Erinnerung und
bleibts. Weitbrechts Jugendblätter.
154. Das Rettungswesen zur See.
An einem Herbsttage des Jahres 1860 strandete bei Borkum ein
großes deutsches Segelschiff, wobei die ganze, zehn Mann starke Be-
satzung in den Wellen umkam. Wohl sahen die Insulaner die Not-
flagge des unglücklichen Fahrzeugs, aber es war ihnen unmöglich, mit
einem gewöhnlichen Boote die Gestrandeteir zu retten. Damit in ähn-
lichen Fällen bessere Hilfe bei der Hand sei, traten im folgenden Jahre
edle Männer in der Stadt Emden zusammen und gründeten fiir die
Seeleute den ostfriesischen Rettungsverein. In rascher Folge entstanden
alsdann auch zu Hamburg, Bremen, Kiel, Rostock und Danzig derartige
Gesellschaften. Im Frühjahr 1865 fand auf Einladung des Bremer
Vereins eine allgemeine Versammlung zu Kiel statt, auf welcher die
Vereinigung aller kleinen Gesellschaften zu einer großen beschlossen
wurde. Diese führt den Namen „Deutsche Gesellschaft zur Rettung
Schiffbrüchiger" und ist unter dem Schutze Seiner Majestät des
deutschen Kaisers herrlich erblüht.
Von der Gesellschaft sind an allen bedrohten Punkten der deutschen
Küste, von der russischen bis zur holländischen Grenze, Rettungsplätze
errichtet. Beschwerlich und gefährlich ist der Dienst jener braven Männer,
die ihr Leben in die Schanze werfen, um Schiffbrüchige dein Tode in
den Meeresfluten zu entreißen.
Im Wirtshaus am Strande sitzen in warmer Stube bei dampfen-
dem Grog und Kartenspiel die Männer, die vor dem schweren Sturme
mit ihren Booten noch Schutz im sichern Hafen finden konnten. Draußen
aber rast der Schneesturm über das Meer und jagt die schaumgekrönten
Wogen haushoch den Deich hinauf. Da drängt sich ein Mann durch
die geöffnete Thür herein, der ein Stück Papier in der Hand
hält. Es ist der Vormann des Rettungsbootes, er bringt eine
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350
Depesche vom Leuchtturm: Draußen auf den Klippen ist ein
Schiff gestrandet, Frauen und Kinder sind mit an Bord! Sofort
erheben sich die wetterfesten Gestalten und eilen über den Deich dem
Hause des Rettungsbootes zu, so schnell die schweren Stiefel und der
heftige Sturm es gestatten. Der Weg bis zum Bootshaus ist nicht
weit. Die großen Flügelthore an den Giebelseiten sind schon geöffnet.
Das weiß und blau gestrichene Rettungsboot liegt, an starken Tauen
befestigt, auf einer bis ins Wasser reichenden hölzernen Rutschbahn,
so daß es bei jedem Wasserstande leicht in die See gebracht werden
kann. An den Wanden des Häuschens hängen das Ölzeug und die
Korkwesten für die Bedienungsmannschaften.
Ohne zu sprechen ziehen die hereingetretenen Männer das Ölzeug
über ihre Kleider, stülpen den Südwester auf den Kopf und binden
ihn unter dem Kinn fest; dann noch die Korkweste um den Leib, und
jeder nimmt seinen Platz im Boote ein.
Langsam erst gleitet das Boot auf der schrägen Rutschbahn dem
Wasser zu, dann geht es schneller und schneller, und zuletzt saust das
stattliche Boot mit großer Schnelligkeit hinunter in die tosende Brandung.
Hochauf schäumen die Wogen und spritzen ihren Gischt den Männern
ins Gesicht. „Riemen aus!" kommandiert der Vormann, und die
langen Ruderstangen tauchen ins Wasser. Trotz des hohen Wellen-
ganges fliegt das Rettungsboot wie eine Möve dahin. Bisweilen wird
es auch von einem kleinen Schleppdampfer ins Schlepptau genommen,
damit es schnell nach der weit entfernten Unglücksstelle gelangen kann;
denn bei solch einem Rettungswerk handelt es sich oft um Minuten.
Hochauf wie eine Feder wird das Boot von der rasenden See
gehoben, um gleich darauf wieder in einem Abgrund zu verschwinden.
Aber die Mannschaft versteht ihr Handwerk. Gleichmäßig tauchen die
langen, schweren Riemen ins Wasser, und mit starker Hand führt der
Vormann das Steuer. Mit scharfem Blick beobachtet er die heran-
rollenden Wellen und steuert ihnen geschickt das Boot entgegen. Jetzt
brüllt eine furchtbare Welle heran und geht über die Mannschaft hin-
weg, das Rettungsboot ganz unter sich begrabend. Aber nein! Dort
taucht es aus den Fluten auf, als wäre nichts geschehen. Die Männer
sitzen wie vorher aus den Bänken, und schon arbeiten die Ruder wieder.
Wie ist das möglich? — Das Boot hat 2 luftdicht gegen einander
abgeschlossene Boden und vorn und hinten Luftkästen. Dadurch ist
ihm eine große Schwimmkraft verliehen. Rings um das Boot läuft
außen eine mit Kork gefüllte Walze die das Anprallen an einen harten
Gegenstand abschwächt. Damit es nicht umstürzen kann, hat es einen
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
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351
schweren Bleikiel. Außerdem sind zwischen den Fußstemmleisten selbst-
thätige Entleerungsventile angebracht, die sich nach außen öffnen.
Schlägt nun eine Welle in das Boot, so kann sie wohl durch ihre
Kraft dasselbe für einen Augenblick unter Wasser drücken; bald aber
hebt es sich wieder, und die Ventile lassen das im Boote zurückgebliebene
Wasser ausströmen.
Bis auf die Haut sind die wackeren Männer durchnäßt, denn
gegen eine solche See schützt auch das beste Ölzeug nicht; doch sie
spüren die Nüsse und Kälte nicht, das Rudern gegen Sturm und
Wellen macht warm. Langsam kommen sie doch vorwärts, schon sind
sie in die Nähe des gestrandeten Schiffes gekommen, aber an dasselbe
anzulegen ist unmöglich, rettungslos müßte das Boot an dem Wrack
zerschellen. Ist das Boot auf Wurfleinenweite an das Wrack heran,
so saust sein Anker in die Tiefe, und vom Schiffe aus schleudert der
Schiffer die Wurfleine, an der er ein langes, kräftiges Tau angeknüpft
hat, dem Rettungsboote zu. Starke Hände ziehen die Leine und dann
auch ein Ende des Taues in das Boot herein, bis der Schiffer ein
Zeichen zum Anhalten giebt. Er selbst hat das andere Ende des Taues
am Mast befestigt, und die Verbindung zwischen Wrack und Rettungs-
boot ist hergestellt. — Es war auch die höchste Zeit! Denn die Wellen
stürzen bereits über das Wrack und drohen in der nächsten Sekunde
die Schiffbrüchigen in die Tiefe zu reißen. Schnell schlingt nun der
Schiffer von den Seinen eins nach dem andern mit einer Schleife um
die Brust an das dicke Tau an, und der Angeseilte stürzt sich in die
brüllende See. Augenblicklich ziehen die Männer im Rettungsboote
das Tau ein, während der Schiffer es auf seiner Seite nachgleiten läßt,
und bald ist der Gerettete — wenn auch völlig durchnäßt — im Boote.
Zuletzt vertraut sich der Schiffer selbst dem Seile an und wird eben-
falls glücklich ins Rettungsboot gezogen. Gerettet! Gleich darauf
schlügt eine gewaltige Welle das Wrack auseinander.
Die Geretteten werden nun entweder an Bord des draußen
harrenden Schleppdampfers gebracht, wo für ihr Unterkommen bestens
gesorgt wird, oder das Rettungsboot trägt sie sicher dem Strande zu.
Nach Hering und dem „Daheim".
155. Abschied.
1. Nun ade, du mein lieb Heimatland,
Lieb Heimatland, ade!
Es geht jetzt fort zum fremden Strand,
Lieb Heimatland, ade!
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